Im Wirbel der Zeiten – Das Leben der Anna (Prinzessin) Schwarzenberg

Im Wirbel der Zeiten – Das Leben der Anna (Prinzessin) SchwarzenbergMaria Theodora Freifrau von dem Bottlenberg-Landsberg

Wbg Academic Verlag, Darmstadt, 2021, 188 Seiten, Festeinband, 28,00 €, ISBN 978-3-534-40462-9

 

Sie trug im Laufe ihres Lebens mehrere Namen, die sie zum Teil selbst wählte, die ihr aber auch aufgezwungen wurden. Die Rede ist von Anna (Prinzessin) Schwarzenberg, die mit ihrem Zwillingsbruder Edmund Schwarzenberg (1897-1932) am 23. September 1897 im Schloss Frauenberg, dem heutigen Schloss Hluboká, in der Stadt Hluboká nad Vltavou, im damaligen Böhmen (heute im Süden Tschechiens), als Tochter des aus Wien stammenden Fürsten Jan (Johann) Nepomuk Schwarzenberg (1860- 1938) und seiner Ehefrau, Fürstin Therese Gräfin von Trauttmansdorff-Weinsberg (1870-1945), geboren und auf den Namen Anna Maria Benedicta Huberta Vincenzia getauft wurde. Ihr „Geburtshaus“, das wunderschön eingerichtet war und neben einer Fülle von repräsentativen Räumen auch mehrere Bäder und Wasserklosetts besaß, dient heute als Gästehaus für wichtige Staatsbesucher der Tschechischen Republik.

Den Schwarzenbergs gehörte im damaligen Böhmen der größte land- und forstwirtschaftliche Betrieb, aber auch Besitzungen in Österreich und Bayern. Zum Grundbesitz gehörten neben Wäldern und Feldern auch mehrere Schlösser, Brauereien, Fischteiche und Sägewerke. Dabei waren ihre Eltern im damaligen Böhmen, ebenso wie in Österreich und in Süddeutschland, nicht nur im Adel hoch angesehen, wie zwei kleine Kanonen am Eingang ihres Schlosses zeigen, die einst ein Geschenk des damaligen Großindustriellen Gustav Krupp von Bohlen und Halbach (1870-1950) in Essen waren und zeigen, dass es durchaus adlige Familien gab, die den Austausch mit der neu aufkommenden Industrie pflegten.

Denjenigen, die sich für die Geschichte der Krankenpflege interessieren, dürfte Anna Schwarzenberg unterdessen keine Unbekannte sein, gehörte sie doch zu jenen Personen, die nicht nur den Pflegeberuf erlernten und darin arbeiteten, sondern sich auch – zum Wohle aller Pflegenden – besonders engagierten und etwas bewegten. Von daher ist es auch nicht verwunderlich, dass sich ein entsprechender Eintrag über sie bereits im ersten Band des „Biographischen Lexikons zur Pflegegeschichte. Who was who in nursing history“ (Berlin, Wiesbaden 1997) findet.

Maria Theodora von dem Bottlenberg-Landsberg (Jahrgang 1930), die nach ihrem Studium der Germanistik und Neueren Geschichte als Referentin in der Erwachsenenbildung tätig war und diverse Schriften zum Thema Deutscher Widerstand gegen den Nationalsozialismus veröffentlichte, hat unlängst den Lebensweg und das Wirken von Anna (Prinzessin) Schwarzenberg ausführlich erforscht und ihre Ergebnisse im Wbg Academic Verlag – Wissenschaftliche Buchgesellschaft (Darmstadt 2021) veröffentlicht. Bei ihren Ausführungen stützt sie sich insbesondere auf Unterlagen diverser Archive, darunter das Schwarzenberg`sche Familienarchiv Murau (Steiermark), das Archiv Rudolfinerhaus Wien und das Deutsche Literaturarchiv (DLA) Marbach. Obwohl im Mittelpunkt der Darstellung ihre Tante – eine ältere Schwester ihrer Mutter – steht, der die Autorin, wie sie einleitend schreibt, „viel verdankt“ (S. 9), ist es ihr beim Verfassen erstaunlich gut gelungen, die für eine solche Arbeit nötige Distanz zu wahren.

Der Buchtitel „Im Wirbel der Zeiten“ ist treffend gewählt, da von dem Bottlenberg-Landsberg den Lebensweg und das Schaffen von Anna (Prinzessin) Schwarzenberg von deren Geburt bis zu ihrem Tod akribisch vor dem Hintergrund der jeweils gesellschaftspolitischen Entwicklungen – von der Monarchie und der Weimarer Republik über den Nationalsozialismus bis hin zur Demokratie – nachzeichnet. Wie sie dabei eindrucksvoll zeigt, verlief deren Leben sicher anders, als es sich ihr Umfeld für sie gedacht hatte, indem sich die ehemalige Prinzessin – trotz ihrer aristokratisch geprägten Kindheit und Jugend – für eine Ausbildung zur Krankenschwester entschied. Am 28. Februar 1921 begann Anna Schwarzenberg im Alter von 24 Jahren, sicherlich als eine der ältesten Schwesternschülerinnen, mit ihrer Ausbildung im Rudolfinerhaus in Wien, wo 1882 auf Betreiben des deutsch-österreichischen Chirurgen Dr. med. Theodor Billroth (1829-1894) die erste Krankenpflegeschule in Österreich gegründet worden war. Oberin war dort zur damaligen Zeit die aus der Schweiz stammende Schwester Dominika, eigentlich Alice Pietzcker (1887-1976).

Was Anna Schwarzenberg dazu bewog und was den Entschluss, Krankenschwester zu werden, in ihr geweckt hatte, ist nach Angaben der Autorin nicht explizit überliefert. Eine Erklärung liefert jedoch ihre langjährige Freundin, die polnische Kunsthistorikerin Karolina Lanckorońska (1898-2002), die später (1954) in einem Nachruf schrieb: „Die Triebfeder zu ihrem Entschluss [Krankenschwester zu werden] war ganz einfach: eine seltene Einfühlungsgabe in das menschliche Leid und das Bedürfnis, diesen Gefühlen durch die Tat Ausdruck zu geben“ (S. 25). Ihr ganzes weitere Leben sollte dem nach unter dem Versuch stehen, „den Gefühlen, die wahrgenommenes menschliches Leid wecken, tatkräftige Hilfe folgen zu lassen“ (S. 26).

Nachdem sie ihr Staatsexamen abgelegt hatte, arbeite Anna Schwarzenberg zunächst im Rudolfinerhaus als Säuglingsschwester, um dann – ausgestattet mit einem Stipendium – 1926 in London ein Jahr lang am „Bedford College and Royal College of Nursing“ den „Course for Nurse Administrators and Teachers in Schools of Nursing“ zu besuchen. Nach einem anschließenden Studienjahr in Amerika kehrte sie 1928 nach Wien ins Rudolfinerhaus zurück, leitete ein Jahr lang als Oberschwester die Entbindungsstation, um danach fünf Jahre lang als Oberin im 1843 eröffneten Kinderkrankenhaus Sankt Anna in Graz zu wirken, wo sie zugleich auch die angeschlossene Krankenpflegeschule leitete.

Im Jahre 1934 wurde Anna Schwarzenberg, in der Nachfolge der dänischen Krankenschwester Christine Reimann (1888-1979), als Generalsekretärin des „International Council of Nurses“ (ICN), dem „Weltbund der Krankenschwestern und Krankenpfleger“, in Genf berufen. Nach Ansicht ihrer Biographin dürfte für ihre Wahl ausschlaggebend gewesen sein, dass Schwarzenberg über umfangreiche Sprachkenntnisse verfügte und, wie alle Mitglieder ihrer Familie, auch die Schweizer Staatsangehörigkeit hatte. Zur Unterstützung für die mitunter ausufernden Büroarbeiten, zu der auch die Herausgabe der Verbandszeitung „International Nursing Review“ gehörte, deren Artikel in Englisch, Französisch und Deutsch erschienen, standen der Generalsekretärin – die in dieser Funktion nach entsprechenden Umzügen des ICN auch in London und New York lebte – drei Mitarbeiterinnen zur Verfügung.

Nachdem sich Anna Schwarzenberg 1948 zur Ruhe gesetzt hatte, ließ sie sich in Vermont (Bundesstaat im Nordosten der USA) nieder, wo inzwischen auch ihr ältester Bruder Adolph Schwarzenberg (1890-1950) lebte. Im Jahre 1953 kehrte sie, nachdem bei ihr Magenkrebs festgestellt worden war, schwerkrank aus Amerika nach Wien ins Rudolfinerhaus zurück, um sich dort – einer leider erfolglosen – Operation zu unterziehen. Anna Schwarzenberg starb am 11. Januar 1954 in Authal, einer Streusiedlung in der Marktgemeinde Pölstal im Bezirk Murtal, in der Steiermark.

Mit ihrem Buch „Im Wirbel der Zeiten“ hat Maria Theodora von dem Bottlenberg-Landsberg das Bild einer couragierten Frau gezeichnet, die in Monarchie, Diktatur und Demokratie immer wieder ihren Platz neu finden musste. Eingebettet in die wechselvolle Geschichte des ICN wird deutlich, dass Anna Schwarzenberg, die schon früh die Bedeutung der Akademisierung der Pflege erkannte, viel für die Entwicklung der Pflegenden tat und als Generalsekretärin des ICN die Organisation vorantrieb. Die gelungene Veröffentlichung ist dabei umso lesenswerter, als die Autorin ihre Darstellung immer wieder vor dem Hintergrund der politischen Entwicklungen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts spielen lässt.

Dem Buch ist eine weite Verbreitung insbesondere unter den Pflegefachfrauen und -männern zu wünschen, indem es – abgesehen von den biographischen Angaben – ganz allgemein auch positive Impulse zur Berufsidentität vermittelt. Für gewöhnlich werden entsprechende Publikationen jedoch nur von einem ganz kleinen Prozentsatz der Pflegenden überhaupt wahrgenommen und von noch viel weniger gelesen. Generell spielen die Beschäftigung und Auseinandersetzung mit der Geschichte der Krankenpflege gegenwärtig, was sehr zu bedauern ist, sowohl in der Ausbildung als auch in der Lehre und Forschung – woran auch die Akademisierung der Pflege kaum etwas änderte – kaum noch eine Rolle.

Eine Rezension von Dr. Hubert Kolling