Das Gute sehen! 1929 bis 2019 – Einblicke in 90 Jahre Krankenhaus Barmherzige Brüder Regensburg

WOLTER Das Gute sehenStefan Stadtherr Wolter
Das Gute sehen! 1929 bis 2019
Einblicke in 90 Jahre Krankenhaus Barmherzige Brüder Regensburg

Herausgegeben vom Krankenhaus Barmherzige Brüder Regensburg, 
Johann von Gott Verlag, München 2019, Festeinband, 367 Seiten, 27,50 €, ISBN 978-3-929849-40-0

Das Krankenhaus Barmherzige Brüder Regensburg, das von der Ordensgemeinschaft der Barmherzigen Brüder vom heiligen Johannes von Gott (1495 – 1550) geführt wird und in den Jahren 1927 bis 1929 durch den am 4. Oktober 2009 im Dom zu Regensburg seliggesprochen Frater Eustachius Kugler (1867 – 1946) erbaut wurde, konnte im Jahre 2019 auf seine 90-jährige Geschichte zurückblicken. Anlässlich des Jubiläums gab das Krankenhaus die vorliegende Festschrift „Das Gute sehen! 1929 bis 2019. Einblicke in 90 Jahre Krankenhaus Barmherzige Brüder Regensburg“ heraus.

Verfasst wurde die umfangreiche Arbeit, die sich ihrer Leserschaft in solider Ausstattung mit Festeinband und Fadenheftung im DIN-A4-Format präsentiert, von dem aus Eisenach (Thüringen) stammenden Dr. Stefan Stadtherr Wolter (Jahrgang 1967). Der Autor, der nach dem Studium der evangelischen Theologie und Geschichte in Jena und Göttingen, wo er 1999 auch mit einer Arbeit über die Entwicklung der Armenfürsorge in Eisenach im ausgehenden 17. und 18. Jahrhundert promovierte, als Freiberufler mit dem Schwerpunkt auf der Geschichte der Medizin arbeitet, legte bereits eine Reihe einschlägiger Publikationen vor, so über die Kliniken von Eisennach (2006), Quedlinburg (2007), Merseburg (2009), Bernburg (2011), Sommerfeld bei Berlin (2013) und der Hansestadt Rostock (2015). Im Auftrag der Barmherzigen Brüder erforschte er bereits die Geschichte des Evangelischen Krankenhauses Regensburg mit einem Schwerpunkt auf der Pflegegeschichte der Diakonissen (2016).

Die chronologisch aufgebaute Darstellung, die durchgehend durch eine Vielzahl von Schwarzweiß- und Farbabbildungen sowie baulicher Graphiken illustriert wird, gliedert sich in die folgenden sieben große Kapitel, die ihrerseits zahlreiche Unterkapitel aufweisen: „Zeit für ein zeitgemäßes Krankenhaus“ (um 1929), „Zeit des Bangens und Hoffens“ (1929 – 1953), „Zeit der Konsolidierung“ (1954 – 1979), „Zeit der Umstrukturierung und Erweiterung“ (1980 – 2003), „Die Jahre 1990 – 1995“, „Die Jahre 1996 – 2003“ und „Das Gute sehen!“ (2004 – 2019). Nach einem Ausklang („Leiden lindern an Leib und Seele“) finden sich Hinweise auf Quellen und Literatur, ein Personenregister sowie ein dezidierter Überblick über die einzelnen Kliniken und Zentren mit Angaben zu deren jeweiligen Leitungen, ebenso wie über die bisherigen und jetzigen Gesamtleiter, Geschäftsführer und Prioren.

In seiner Einleitung schreibt Stefan Stadtherr Wolter, dass das Krankenhaus Barmherzige Brüder Regensburg seit Anbeginn etwas Außergewöhnliches ist, doch habe – wie zu sehen sein werde – der gute Ruf des Hauses stets aufs Neue erkämpft und der Geist, auf dem es gründet, immer wieder neu verkündet werden müssen. Hierzu bedürfe es Menschen, die die Besonderheit der Barmherzigen Brüder erkennen und die sich zu deren Werten bekennen. In diesem Sinne wolle die vorliegende Chronik nicht nur die rasante medizinisch-technische Entwicklung vor Augen führen, sondern auch das stete Mühen um die Vermittlung der Basis, der sich die Barmherzigen Brüder verpflichtet wissen: „Es ist der Prozess des Guten, der sich auf den vielen Seiten dieses Buches sehen lassen kann. Es lädt ein zu einer Reise durch die Jahrhunderte.“ Deshalb würden hier auch „nicht nur dürre Daten und Fakten aufgeführt“; vielmehr lade das Buch dazu ein, „in die Fülle des Lebens der Einrichtung mitten hineinzuspazieren und gedanklich teilzunehmen, ob an den vielen guten Worten, die in den neunzig Jahren gesprochen wurden oder an dem Ohrenschmaus, der in so vielen Gottesdiensten und darüber hinaus im Haus ertönte, oder gar an den Gaumengenüssen, die manch Fest bereichert haben“ (S. 10).

Da das Jubiläum „90 Jahre Krankenhaus Barmherzige Brüder Regensburg“ mit dem (zehnjährigen) Jubiläum der Seligsprechung des Erbauers des Krankenhauses zusammenfällt, war es nach Ansicht des Autors geradezu eine Aufforderung, in der atemberaubenden Entwicklung des Hauses einmal innezuhalten. Der Blick auf das erfolgreiche Mühen all seiner Förderer lasse dabei frischen Mut für das die 100 Jahre erfüllende Jahrzehnt schöpfen. Zur Bedeutung und Intention der Veröffentlichung hält er sodann wörtlich fest: „Mit der vorliegenden Schrift ging es dem Verfasser darum, die fast atemberaubende Entwicklung nachvollziehbar zu machen und somit einen Zugang zum Werden und Wesen des Mikrokosmos Krankenhaus und Kloster der Barmherzigen Brüder auch jenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu geben, die erst in jüngerer Zeit hinzugekommen sind“ (S. 12). Zudem möchte er, soweit dies Worte möglich machen, an der Atmosphäre des Hauses teilhabenlassen.

Nachdem die Gründungsgeschichte des Hauses durch den Regensburger Historiker Arthur Dirmeier (1995) bereits gut dokumentiert worden sei und die Chronik der Barmherzigen Brüder in Bayern aus der Hand von Marzell Oberneder (1970) ebenfalls bis in die Nachkriegszeit – ergänzt bis zum Jahr 1995 durch veröffentlichte Auszüge aus der Hauschronik der Prioren – reiche, erfolge hier – neben dem Rückgriff auf die entsprechenden Festschriften zum 50- (1979), 60- (1989) und 75-jährigen Jubiläum (2004) – erstmalig nun eine Zusammenschau und Reflexion des Inhaltes der seit 1990 erscheinenden „Hauszeitschrift“: Geschehnisse und Erfahrungen, die in einem Zeitraum von knapp 30 Jahren auf rund 3.000 Seiten ausgebreitet wurden.

Seinem selbst gesetzten Anspruch wird Stefan Stadtherr Wolter in jeder Beziehung bestens gerecht. Um die Bedeutung des Krankenhauses der Barmherzigen Brüder voll zu begreifen, lenkt er den Blick zunächst auf die Ausgangssituation – auf die die fast verzweifelt anmutenden Bemühungen der Stadt Regensburg um eine zukunftsfähige Versorgung ihrer Kranken. Wenngleich es in Regensburg zwei nicht sonderlich große Krankenhäuser konfessioneller Stiftungen – einer evangelischen und einer katholischen – gegeben habe, sei die Krankenversorgung der Stadt zu Beginn des 20. Jahrhunderts an ihre Grenzen gestoßen. In dieser Situation sei, auf der Suche nach einem geeigneten Standort für ein neues Krankenhaus, der Orden der Barmherzigen Brüder in Bayern mit ihrem damaligen Provinzial (also dem Leiter der Bayerischen Ordensprovinz) Frater Eustachius Kugler auf den Plan getreten und habe ab 1927 ein Doppelkrankenhaus – einen Männer- und einen Frauenbau mit insgesamt 450 Betten – durch den Münchener Stararchitekten Prof. Albert Boßlet (1880 – 1957) im modernen Dessauer Bauhausstil errichten lassen. Etwa zum Zeitpunkt der baulichen Fertigstellung des Frauenkrankenhauses habe Kugler auch ein Gesuch an die Regierung gestellt, eine einjährige Krankenpflegeschule zur Ausbildung der jungen Ordensmitglieder im neuen Männerkrankenhaus einrichten zu dürfen. 40 Brüder, davon 35 bereits staatlich geprüft, seien zu dieser Zeit im Krankenhaus mit der Pflege befasst gewesen. Nachdem das Staatsministerium für Unterricht und Kultus mit Schreiben vom 14. März 1932 die Krankenpflegeschule anerkannte, habe am 1. Juni 1933 die Ausbildung von 26 Ordensmitgliedern beginnen können.

In seiner weiteren Darstellung, in der er die medizinische und pflegerische Entwicklung stets gleichermaßen berücksichtigt, zeigt der Autor anschaulich, wie sich der Krankenhauskomplex im Laufe der Jahrzehnte erheblich wandelte. Und zwar von zwei großen, einst nach Geschlechtern getrennten Krankenhausbauten hin zu einer kleinen Krankenhausstadt. Aus nur vier chefärztlich geführten Abteilungen noch in den 1970er Jahren hätten die Verantwortlichen bis heute ein Klinikum der faktischen Maximalversorgung entwickelt. Die Wandlung habe dabei zwar die äußere Gestalt und das funktionelle Innenleben berührt, nicht aber den Geist, den die Barmherzigen Brüder seit rund 450 Jahren verkörperten und den sie, wenn auch nur noch in kleiner Zahl, an die wachsende Schar der Dienstgemeinschaft weitergeben würden. Verlust und Gewinn seien wie so oft im Leben zwar manchmal Hand in Hand gegangen, aber selbst in ausweglos erscheinenden Situationen habe sich nicht nur gezeigt, wie sehr der Glaube an den Sieg des Guten trug, sondern auch wie das Gute die Oberhand gewann.

Gemeinhin bieten Jubiläen immer wieder Anlass, auf Vergangenes zurückzublicken und historische Ereignisse als Teil der eigenen Geschichte, der eigenen Identität zu begreifen und gegenwärtig zu machen sowie das Geschaffene für die Nachwelt zu dokumentieren. Viele Institutionen, Firmen oder Vereine verzichten jedoch, scheinbar aus fehlendem historischem Bewusstsein oder unter Verweis auf die dabei anfallenden Kosten, entweder gänzlich auf entsprechende Veröffentlichungen oder beschränken sich auf „große“ oder „runde“ Jubiläen. Nicht so die Verantwortlichen des Krankenhauses Barmherzige Brüder Regensburg, die – traditionsbewusst, wie schon beim 50-, 60- und 75-jährigen Jubiläum – auch den 90. Geburtstag nutzten, eine fundierte Publikation zur Geschichte ihrer Einrichtung herauszugeben. Bemerkenswert ist dabei auch, dass sie die betreffende Festschrift nicht in Eigenregie verfasst haben, sondern mit der dafür notwendigen Arbeit einen externen Fachmann beauftragt haben.

Unterdessen kann man dem Krankenhaus Barmherzige Brüder Regensburg zu dem Buch „Das Gute sehen! 1929 bis 2019. Einblicke in 90 Jahre Krankenhaus Barmherzige Brüder Regensburg“ nur herzlich gratulieren, ist Stefan Stadtherr Wolter doch eine außergewöhnlich ansprechende, umfangreiche und zugleich kurzweilig zu lesende Arbeit gelungen, die nicht nur nüchterne Zahlen, Daten und Fakten zur Entstehung und Entwicklung des Krankenhauses unter medizinischen und pflegerischen Gesichtspunkten präsentiert, sondern ebenso auch den in der Einrichtung wehenden Geist vermittelt. Im Unterschied zu vergleichbaren Publikationen, bei denen oftmals der medizinisch-technische Bereich stark dominiert, kommen hier auch die Pflege und die dort arbeitenden Menschen nicht zu kurz. Die Prämisse des Ordensvaters Johannes von Gott, „Das Gute tun und das gut tun“, haben die Verantwortlichen des Krankenhaus Barmherzige Brüder Regensburg mit der vorliegenden Festschrift jedenfalls allerbestens umgesetzt.

Eine Rezension von Dr. Hubert Kolling